Europa S (2020)

Ceren Ercan (aus dem Türkischen von Oliver Kontny)

Europa steht auf der Kippe – so heißt es. Brexit, Eurokrise, Rettungsprogramme, Wirtschaftsabkommen, die sogenannte Flüchtlingskrise … Kein Tag ohne Schlagzeilen vom drohenden Ende, von der Gefährdung, von der Spaltung Europas. Ratlosigkeit macht sich breit. Für viele wird daraus Verunsicherung, Angst und Wut, die in Sehnsucht nach klaren Feindbildern und Abgrenzungen umschlägt: Nationalismus ist wieder populär. Doch war die europäische Idee vor über 60 Jahren nicht eine andere? Welche Verschiebungen finden in Europa aktuell statt?
Das VOLKSTHEATER beauftragte die junge türkische Autorin Ceren Ercan mit einer Stückentwicklung - ihr Außenblick sollte auf Perspektiven von innen treffen: Menschen aus Karlsruhe und Umgebung stehen auf der Bühne und erzeugen gemeinsam ein Kaleidoskop der (Zukunfts-)Perspektiven. Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Europa sprechen und wie kann und soll es mit der Gemeinschaft weitergehen? Nach einer zweimonatigen Zwangspause, in der niemand mit Sicherheit sagen konnte, wie es mit der Produktion als auch Europa in der Covie-19 Pandemie weitergehen würde, war der Blick auf Europa im Stück rasch gealtert: Statt einer Diskussion über Identität wurde die Frage nach einer europäischen Solidarität wichtiger denn je. Und auch szenisch mussten Lösungen mit Abstand gefunden werden.
„Die große Frage, die diesen Abend prägt, ist: wer ist wir? […] Die Spieler*innen mit ihren unterschiedlichen kulturellen Wurzeln und gesellschaftlichen Hintergründen arbeiten sich an den Klischees ab und dekonstruieren die Projektionen, die man ihnen aufsetzt. […] Es sind Sprachflächen, in denen romantisierende Bilder auf die der Wirklichkeit treffen und so lotet diese Inszenierung permanent Ambivalenzen aus, die man als Zuschauer aushalten und dekonstruieren muss.“ Björn Hayer, „Fazit“ Deutschlandfunk 14.10.20
„Viel zu erzählen, viel zu erörtern: Brexit, Eurokrise, Rettungsprogramme, Wirtschaftsabkommen, Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik – und jetzt auch noch die Corona-Pandemie. Eine Stunde – „Europa XXS“ sozusagen – erwies sich als viel zu knapp, um einen Diskurs zu führen, ein Drama zu entwickeln oder gar, wie angekündigt, nach einem neuen Mythos für die europäische Gemeinschaft zu suchen. […] Szenisch haben die Regisseure Stefanie Heiner und Matthias Spaniel in der Ausstattung von Sandra Dehler überzeugende Lösungen gefunden: Auf leere Fahnen projizierte Bilder von Natur und Infrastruktur, Werbesprüche, die unvermittelt in Sarkasmus umschlagen, und gegen Ende eine Frau, die sich an ein Klavier setzt und ihre Hände auf die Tasten legt, ohne zu spielen.“ Sibylle Orgendinger, Badische Neuste Nachrichten, 17.10.2020
Darsteller­*innen
  • Sanaa Attar, Leyla Baran, Virginie Bousquet, Victoria Contrera, Barbara Ehrle, Salomé Jacob, Anette Meier, Clemens Schmid-Isringhausen, Paul Tigmeanu
Regie Stefanie Heiner, Matthias Spaniel
Bühne & Kostüme Sandra Dehler
Dramaturgie Lena Mallmann
Assistenz Konstantin Mues
Musik Andreas Kuch
Video Konrad Kästner
Trailer
Premiere 14.10.2020, Badisches Staatstheater, Kleines Haus
Spieldauer 60min, keine Pause
Aufführungsfotos Felix Grünschloß