Watte brennt (2008)

von Jürgen Bühner

Zwei Wohnungen beieinander. Irgendwo. Es ist feucht, kalt und zu heiß dort – man kann die Heizung nicht stellen; und die Wände sind so dünn wie Papier. Hier leben Lea und Kal Wand an Wand mit dem Pärchen Iva und Son. Während die einen die Sinnleere des Alltags gemeinsam in geschwisterlicher Zuneigung ersticken, tragen die anderen ihre Angst vor dem Leben in sexuellen Machtkämpfen aus.

Doch beide Beziehungen beginnen zu bröckeln, wie die Hausfassaden die sie umgeben. Denn Iva verliebt sich in den von seinen erfolglosen Bewerbungen eingeschüchterten und ernüchterten Kal, der so ganz anders zu sein scheint als ihr beruflich erfolgreicher Freund Son. Der legt seine glatte Managermaske in gewalttätigen Sexpraktiken mit ihr ab, wobei die Grenze zwischen Spiel und Ernst äußerst schmal und ambivalent verläuft. Und Leas Wunsch nach einer Zukunft an einem anderen Ort, an dem sie die selbst zugefügten Wunden der Vergangenheit hinter sich lassen kann, wird immer stärker.

Das freie theater nordlichten nähert sich der zeitgenössischen Vorlage von Jürgen Bühner mit einem performativen Ansatz und macht so die intime Enge spürbar, greifbar, fühlbar. Ein voyeuristischer Zoom auf die verletzliche Privatsphäre vierer Menschen zwischen Glück und Enge, Zärtlichkeit, Sex und häuslicher Gewalt.

und du weißt nicht ob du schläfst weil
zuviel Zeit vergeht und du zu sehr wartest
ob noch jemand zurückkommt und so
klappt das garantiert nicht wenn du so sehr wartest
man ist so fähig zu warten

„Erzählt werden Stationen vom Niedergang zweier Paarbeziehungen. In einem fast schon sterilen Raum aus weißen Papierrollen verhandeln sie ihre Konflikte. Die heile Welt bekommt immer mehr Risse, bis sie letztlich komplett in Trümmern liegt. [...] Regisseur Matthias Spaniel arbeitet mit klaren Bildern. Immer wieder lässt er die Verletzungen und Missachtungen, die Gefühle von Demütigen und Versagen eskalieren.“ Allgemeine Zeitung, Mainz, 14.04.2008
Regisseur Matthias Spaniel betreibt einen staunenswerten kreativen Aufwand, um die anstrengende Beziehungsdramödie zur konfrontativen Performance zu strecken. Das ist durchaus rasant, manchmal geradezu virtuos und hat doch nichts zu sagen. […] Jürgen Bühners Stück macht aus Alltagsgestalten Spielfiguren, die permanent in poetischen Halbsätzen sprechen und Dinge tun müssen, die ganz furchtbar nach Kunst und Bedeutung aussehen. Die ganze Sache hat glücklicherweise einen dramaturgischen Clou, und der besteht darin, dass es einen Erzähler auf der Bühne gibt. Veit Merkle gibt ihn herzerfrischend als auktorialen Puck, der sich mit dem Mikrofon über die Bühne schiebt, den Figuren aus den Kleidungsstücken hilft, ihnen auch mal Wasser ins Gesicht spuckt, ihnen die eigene Unterhose leiht und sehr neckisch alles kommentiert, was sie so tun. Damit macht er auch deutlich, dass das, was wir sehen, eben nur Theater ist. Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 23.06.2008
Darsteller­*innen
  • Veit Merkle
  • Annelie Guelsdorff
  • Knut Gabel
  • Katja Kendler
  • Fabian Schütze
Regie Matthias Spaniel
Ausstattung Stefania Böhm
Dramaturgie Kathrin Weber-Krüger
Licht Christian Meinke
Musik Jochen Stumpf
Trailer
Premiere 11.04.2008, performance art depot Mainz
Spieldauer ca. 75 Minuten
Aufführungsfotos Stefan Manz